Ob Wonnemonat oder nicht, geheiratet wird immer. Früher allerdings nicht wie heutzutage bevorzugt im Mai, Juni oder einem anderen Sommermonat, sondern im Dezember. Das hatte natürlich seinen guten Grund. Die Arbeit auf dem Lande und auf dem See ruhte im Winter und man hatte etwas mehr Zeit für andere Dinge im Leben. Dies und manches mehr über das Hochzeitsmachen in vergangener Zeit verrät die Ausstellung „Liebe vergeht, Tagwerk besteht“, die seit Anfang Juni im Ortsmuseum Tutzing zu sehen ist.
Die kleine, aber hochinteressante Ausstellung wurde von der Tutzinger Gilde konzipiert und nimmt den Besucher mit auf eine beschauliche Zeitreise ins 19. Jahrhundert. Gleichzeitig stimmt der kleine Exkurs zum Thema Hochzeit auf die legendäre „Tutzinger Fischerhochzeit“ ein, die Anfang Juli nach knapp fünfjähriger Pause wieder groß gefeiert wird.
Arrangierte Ehen waren in Adelskreisen in der Stadt und auf dem Lande über Jahrhundert hinweg die Normalität. Erst mit der romantischen Literatur kam die Idee der Liebesheirat auf und wurde um die Mitte des 19. Jahrhunderts zum bürgerlichen Ideal, Realität jedoch noch lange nicht. Am Anfang des 19. Jahrhunderts spielt auch die Fischerhochzeit, ein zweitägiges Spektakel in zeitgenössischer Tracht, das das Melodrama um den Fischersohn Michael Gröber und seine Angebetete, die Fischertochter Veronika Bierbichler aus Ambach, nacherzählt. Bevor es zum Happy End kommen kann, muss der junge Mann jedoch nicht nur die Zurückweisung der stolzen Veronika ertragen, sondern sogar wegen eines Streits zwischen seinem Vater und dem Grafen von Vieregg den für fast alle bayerischen Soldaten verhängnisvollen, napoleonischen Russlandfeldzug überstehen. Der verloren geglaubte Sohn und Bräutigam kehrt schließlich zurück und zur Freude aller wird endlich geheiratet. Selbst die ehemaligen Streithähne werden durch die Hochzeit versöhnt.
Anders als bei der romantischen Fischerhochzeit erzählt die Ausstellung im Ortsmuseum hingegen davon, wie die Ehen auf dem Lande wirklich geschlossen wurden. Eines wird dabei sofort klar: Liebe spielte dabei kaum eine Rolle. Wer seine Töchter unter die Haube bringen wollte musste vor allem tief in die eigene Tasche greifen. Für den Bräutigam war die Brautschau oftmals sogar eine existenzielle Entscheidung, die viel eher einem gelungenen Kuhhandel, als der Gründung einer Familie glich. Wollte ein Tutzinger Bauernsohn nämlich den Hof seiner Eltern übernehmen, musste er sich dieses Recht teuer erkaufen. Der Grundherr verlangte eine Übernahmesteuer, die Eltern eine Ablöse und lebenslange Versorgung und eventuell waren sogar noch Brüder auszuzahlen. Die dafür nötige Summe konnte oftmals nur durch die Mitgift einer reichen Braut aufgebracht werden. Um eine Kandidatin mit passendem Finanzpolster in der näheren und weiteren Umgebung ausfindig zu machen, wurde der „Hochzeitsmacher“ losgeschickt, im Volksmund auch „Schmuser“ genannt. Sobald die geeignete Partie entdeckt war und sich obendrein heiratswillig zeigte, oblag es ebenfalls dem Schmuser, die gegenseitigen Bedingungen auszuhandeln. Dies ging selten ohne Feilschen ab. Erst wenn die Eltern der Braut und der Hochzeitsmacher sich weitestgehend handelseinig waren, kam es zu einem ersten Treffen der Brautleute. Oftmals das einzige vor der Hochzeit. Mitunter ließ es sich der Bräutigam dennoch nicht nehmen, seiner Braut, im wahrsten Sinne den Hof zu machen, indem er sich in züchtiger Begleitung eines Verwandten und kleinen Geschenken im Gepäck auf dem elterlichen Anwesen der Braut blicken ließ. Das Laden der Gäste und die Organisation der Feier wurde meist ebenfalls vom „Schmuser“ übernommen, manchmal aber auch von einem eigens engagierten Hochzeitslader. Die Braut dagegen nutzte die Zeit vor der Hochzeit, um ihre Aussteuer herzurichten oder zu ergänzen.
Ein vollgepackter, geöffneter Hochzeitsschrank in der Ausstellung zeigt, was zu einer ordentlichen Aussteuer gehörte: Wäsche, Wolle, Kleidung. Die Tutzinger Gilde, die sich in dieser Ausstellung erstmals auch als Kurator beweisen durfte, hat nicht nur das Ortsarchiv gründlich studiert und geplündert, sondern auch aus dem eigenen Trachtenfundus einiges beigesteuert. Zwei Schaufensterpuppen konnten so mit originalen Festtagsgewändern eingekleidet werden und mimen nun für die Dauer der Ausstellung ein junges Hochzeitspaar in Tutzinger Fischertracht. Diese musste allerdings zunächst auf die Maße der Puppen angepasst werden. Eine der Vitrinen zeigt zusätzlich bestickte Hochzeitskrönchen, Hauben und Otterkappen, die für die Tracht der Tutzinger Fischerfrauen typisch ist. Auch ein paar vielsagende originale Schriftstücke finden sich in der Ausstellung, darunter eine Rechnung, die detailliert auflistet, was eine Hochzeitsfeier damals gekostet hat. Zumindest das gezeigte Beispiel verdeutlicht, dass die Zeche am Ende nur unwesentlich geringer ausfiel, als die Summe aller dem Brautpaar überreichten Geldgeschenke. Dass Heiraten aber nicht nur eine teure Angelegenheit war und immer noch ist, sondern auch ein einmaliges, großes Fest, an dem alle Dorfbewohner freudig Anteil nahmen, findet in der Ausstellung dadurch Entsprechung, dass der Besucher während seines kurzen Rundgangs mit fröhlicher Volksmusik beschallt wird und dazu Bilder historischer Hochzeitsfeiern auf einem Bildschirm verfolgen kann. Die sehenswerte kleine Ausstellung findet im Ortsmuseum Tutzing in der Graf-Vieregg-Straße statt und dauert noch bis 17. September. Das Museum ist mittwochs sowie am Wochenende von 13 bis 17 Uhr geöffnet.