„Ist mehr Pomologe als Theologe.“ – Ob man in der Pfarrei Grafing diese 1911 in Ilmmünster über den Jungpriester Korbinian Aigner getroffene Beurteilung kannte, als dieser 1916 von Scheyern her als Koadjutor in den Grafinger Seelsorgesprengel versetzt wurde, wissen wir nicht, jedenfalls bedachten die hiesigen Vorgesetzten ihren Pfarrgehilfen in der Zeit seines Wirkens hier bis 1921 durchweg mit den Qualifikationsnoten „sehr gut“ und „gut“.
Tatsächlich begeisterte sich der 1885 in Hohenpolding geborene Korbinian Aigner schon seit seiner Kindheit nicht nur für die christliche Religion, sondern immer auch für den Obstbau. Noch vor seiner Priesterweihe gründete er in seinem Geburtsort einen Obstbauverein. Auch an seinen späteren Wirkungsstätten, sei es als Kooperator in Haimhausen, Söllhuben, Mariadorfen und Sittenbach, sei es als Pfarrer in Sittenbach und Hohenbercha, widmete er sich in der ihm als Geistlichen verbleibenden freien Zeit ganz der Obstkultur. Er hielt Vorträge, organisierte Kurse, regte Vereinsgründungen an, verfasste Zeitschriftenbeiträge und bannte als versierter Maler an die 1.000 Äpfel und Birnen in Aquarellen auf Blätter in Postkartengröße. Kein Wunder, dass er alsbald allenthalben als „Apfelpfarrer“ bekannt war.
Nach der NS-Machtübernahme 1933 geriet Korbinian Aigner als standhafter Christ und unbeugsamer Katholik alsbald in Konflikt mit dem Hitler-Regime. Er wurde bestraft, bespitzelt, denunziert und landete schließlich 1940 im Konzentrationslager Dachau. Dort hatte er Glück im Unglück. Als Zugehöriger zum Priesterblock war es ihm möglich, auf der Plantage „Heilkräutergarten“ zu arbeiten und nebenher zwischen zwei Baracken die Apfelsorten KZ 1 bis KZ 4 zu züchten. Kurz vor dem Zusammenbruch des Dritten Reiches gelang ihm im Zuge der Evakuierung des Lagers die Flucht, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges kehrte er auf seine Pfarrstelle in Hohenbercha zurück.
Als Korbinian Aigner 1966 in Freising starb, genoss er schon längst weithin höchstes Ansehen. Für sein jahrzehntelanges Engagement waren ihm noch zu Lebzeiten bedeutende Auszeichnungen zuteilgeworden. Anlässlich seines 100. Geburtstages 1985 erhielt die von ihm gezüchtete Apfelsorte KZ 3 den Namen „Korbiniansapfel“.
Und 2012 war seinen Aquarellen in der Documenta in Kassel ein eigener Saal gewidmet. In Grafing erinnern heute zwei Korbiniansapfelbäume im Museumsgarten und im Stadtpark sowie eine Straße an den einst hier tätigen Apfelpfarrer.
Leben und Wirken Korbinian Aigners würdigt auch der jüngst angelaufene Film „Ein stummer Hund will ich nicht sein“. Der Historische Verein für den Landkreis Ebersberg und die Grafinger Kinobetreiberin Sandra Scheid nahmen den lokalen Bezug des Themas zum Anlass, das von Walter Steffen geschaffene Doku-Drama mit Karl-Heinz Knaup in der Hauptrolle nach Grafing zu holen. In Verbindung mit Archiv und Museum der Stadt Grafing, Förderverein Museum Grafing, Arbeitsgemeinschaft für Heimatkunde Grafing und Kulturverein Grafing zeigen sie das Werk, das sich speziell auch mit den Gegebenheiten im KZ Dachau beschäftigt, am Mittwoch, 21. Mai, um 19.30 Uhr im Capitol Kino Grafing. Zur Vorführung sind alle Geschichtsinteressierten eingeladen. Der Eintritt beträgt 8,50 Euro. Karten sind schon jetzt im Vorverkauf des Kinos vor Ort oder im Internet erhältlich. Die Veranstalter hoffen auf einen regen Zuspruch.