Der Weg zurück in den Job ist für Menschen nach einer psychischen Erkrankung oft steinig – aber möglich. Mit Mut, Unterstützung und den richtigen Strategien kann der berufliche Neuanfang zur echten Chance werden.
Mit sichtlicher Freude haben Jochen Kunert, Bereichsleiter Berufliche Bildung am Berufsförderungswerk (BFW) München, und Olga Grupp, Teamleiterin des neuen Beruflichen Trainingszentrums (BTZ), die ersten Teilnehmenden am neuen Standort Kirchseeon begrüßt. Das BTZ ist ein bedeutender Meilenstein im Engagement des BFW München, Menschen nach psychischen Erkrankungen individuell und qualifiziert bei der Rückkehr ins Berufsleben zu begleiten.
„Wir tragen die Idee eines BTZ schon lange mit uns“, erklärt Jochen Kunert. „Psychische Erkrankungen – die sogenannten F-Diagnosen – haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Wir sehen eine Versorgungslücke zwischen medizinischer Therapie und beruflicher Rehabilitation. Genau hier setzt das BTZ an: Es bietet einen niedrigschwelligen Zugang, der auf den psychischen Zustand der Teilnehmenden abgestimmt ist und ihnen den Weg zurück in den Arbeitsmarkt ebnet.“
Im Unterschied zu klassischen Rehabilitationsmaßnahmen ermöglicht das BTZ eine schrittweise Heranführung an berufliche Anforderungen – ohne sofortigen Druck eines Berufsabschlusses. Ziel ist vielmehr die Stabilisierung der Teilnehmenden und der gezielte Aufbau von Belastbarkeit.
Besonders macht das BTZ Kirchseeon unter anderem seine Lage: Die Unterbringung im angeschlossenen Internat nimmt den Teilnehmenden die tägliche Pendelbelastung – ein Vorteil, den auch Kooperationskliniken hervorheben. Gleichzeitig profitiert der neue Standort von der bestehenden Infrastruktur des BFW München. „Unsere Werkstätten und Fachbereiche erlauben ein besonders praxisnahes Training“, so Kunert. „Das macht unser BTZ leistungsfähig und anschlussfähig.“
Das Trainingskonzept selbst ist in zwei Phasen gegliedert: Orientierung und Integration. „In der Orientierungsphase geht es zunächst darum, sich an den Alltag zu gewöhnen und individuelle Ziele zu definieren“, erläutert Olga Grupp. „Dazu erheben wir mit psychologischen Verfahren und Gesprächen den aktuellen Stand und entwickeln gemeinsam mit den Teilnehmenden realistische berufliche Perspektiven.“ Der Fokus liege dabei klar auf Stabilisierung, ergänzt Kunert: „Wir bieten keine Therapie, aber ein berufliches Setting, das stabilisierend wirkt – mit klaren Strukturen und einem multiprofessionellen Team.“
Der Tag im BTZ beginnt um 8:30 Uhr mit einer Morgenrunde, dem sogenannten „Jour Fixe“. Anschließend folgen praktische und theoretische Einheiten – etwa in Holz- oder Metallbearbeitung, EDV sowie Gruppen- und Einzelangebote zur Förderung von Selbstreflexion und Resilienz. „Ein echter Vorteil ist, dass wir auf professionelle Werkstätten zugreifen können“, so Jochen Kunert. „Dort trainieren die Teilnehmenden auf einfachem Niveau – angepasst an ihre individuellen Voraussetzungen.“
Das dreiköpfige Kernteam – bestehend aus einer Psychologin, einer Sozialpädagogin und einem Arbeitspädagogen – betreut zum Start sechs bis acht Teilnehmende. Alle sechs Wochen sind neue Aufnahmen geplant. Perspektivisch soll das Team weiterwachsen, auch mit externen Fachkräften. „Der Bedarf ist hoch“, sagt Jochen Kunert.
Wichtiger Bestandteil des Konzepts ist die enge Zusammenarbeit mit Unternehmen. Bestehende Netzwerke und Erfahrungen aus dem BFW werden gezielt genutzt, um Praktika zu vermitteln. „Dank der Internatsplätze können wir auch Teilnehmende aus anderen Regionen aufnehmen“, erklärt Kunert. Ergänzend werden Bewerbungstrainings und EDV-Kurse angeboten.
Die Integrationsphase zielt darauf ab, die beruflichen Perspektiven zu festigen und in praktische Erfahrungen zu überführen. „Wir unterstützen intensiv bei der Suche nach Praktikumsplätzen und begleiten unsere Teilnehmenden eng durch diese Phase“, so Olga Grupp. Die Praktika dauern in der Regel drei bis vier Wochen – individuell angepasst. „Unser Konzept basiert auf intensiver Vorarbeit – inklusive Austausch mit anderen BTZs“, betont Jochen Kunert abschließend. „Eine Kollegin bringt über zehn Jahre Erfahrung aus einem bestehenden BTZ mit. Wir starten also mit viel Know-how und einer klaren Vision.“