Die Siedlung Ramersdorf-Süd ist derzeit in aller Munde: Sie soll umgebaut und das erste Klimaquartier der Stadt München werden. Doch nicht nur das macht die Häuserzeilen zwischen Claudius-Keller-Straße und Wilramstraße besonders. Auch die zahlreichen verschiedenen Kunstwerke über den Eingängen der Wohnhäuser sind in München einzigartig. Inzwischen stehen die sogenannten „Supraporten” unter Denkmalschutz, wofür sich ein Ramersdorfer Verein eingesetzt hat.
In der Triester Straße 14 freuen sich Mutter Geiß und ihre sieben Geißlein darüber, dass der böse Wolf in den Brunnen gefallen ist. Drei Hausnummern weiter liegt ein junger Mann am Strand und blickt auf zwei Vögel, die über ihn hinwegfliegen. In der Wilramstraße 19 findet man hingegen ein Motiv, das an die Ureinwohner Amerikas erinnert. Dies sind nur drei Beispiele für die diversen Kunstwerke, die über den Eingängen der ansonsten tristen und gleichförmigen Häuser prangen.
Von naturalistischen Darstellungen bis zu expressionistischen Motiven reicht die Bandbreite der Supraporten. Das Wort stammt aus dem Lateinischen: „supra“ steht für „das darüber oder oberhalb Befindliche“, „porta“ für Tür. Wer aufmerksam durch die Siedlung Ramersdorf-Süd spaziert, erblickt über den Haustüren nicht nur Malereien, sondern auch Reliefs und Plastiken.
„Die Supraporten kennzeichnen die Eingänge und machen sie für die Bewohner identifizierbar”, erläutert die Schutzgemeinschaft Ramersdorf, ein Verein, der sich nach eigenen Angaben für den „Bestand von Häusern und Gärten, aber auch für ansprechende Neubauten” im Stadtteil einsetzt. Die Bewohner, das waren einst die Angehörigen der US-amerikanischen Luftwaffe, die nach dem 2. Weltkrieg am Fliegerhorst Neubiberg stationiert war. Für die Familien der Streitkräfte wurde ab 1949 der Großteil der drei- bis sechsgeschossigen Wohnhäuser in der Nähe des Karl-Preis-Platzes errichtet. Alteingesessene Ramersdorfer sprechen noch heute von der „Ami-Siedlung”.
Die Bilder und Reliefs über den Hauseingängen sind allerdings nicht nur nett anzusehen, sondern auch von kunsthistorischem Wert. So spiegele sich in den Supraporten die Zusammenarbeit zwischen deutschen und US-amerikanischen Planern wider, erklärt die Schutzgemeinschaft Ramersdorf: „Für das Nachkriegs-München waren das Märchen- und Tiermotive, während die Amerikaner auf Szenen des amerikanischen Westens - inklusiver indigener Bevölkerung - zurückgriffen.” Laut dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege gilt das Projekt sogar „deutschlandweit als einzige realisierte US-Siedlung, welche nicht allein den amerikanischen Vorstellungen entspricht und deutsche Planungen miteinbezog”.
Unter Denkmalschutz stehen die Supraporten in der Triester Straße und der Wilramstraße jedoch erst seit 2024. Stark eingesetzt dafür hatte sich die Schutzgemeinschaft Ramersdorf, die bei ihrem Anliegen vom örtlichen Bezirksausschuss (BA 16) unterstützt wurde. Die ehrenamtlich tätigen Mitglieder des Vereins waren besorgt, dass die Supraporten der anstehenden Sanierung und Modernisierung zum Opfer fallen könnten. Insbesondere der Architekt Christoph Randl, der die Supraporten fotografisch dokumentiert hat, bemühte sich beim Denkmalamt um den Schutz der Kunstwerke - mit Erfolg.
Wie die Kunstwerke über den Türen am besten erhalten werden können, müsse die Stadt München nun mit dem Denkmalamt abstimmen, teilt die Schutzgemeinschaft Ramersdorf dazu mit. Die Siedlung werde mit dem geplanten Umbau zum Klimaquartier wohl künftig „ein völlig neues Gesicht erhalten”, ergänzt der Verein. Einzigartig wird sie jedoch bleiben - dank ihrer vielfältigen Supraporten.
Weitere Informationen zu den Supraporten und viele Bilder finden sich unter www.schutzgemeinschaft-ramersdorf.de