Die Angebote der Münchner Familienzentren sind wohnortnah und sehr vielfältig. Aber nicht jedes Familienzentrum hat das gleiche Angebotsspektrum. Das hängt von den räumlichen, personellen und örtlichen Ressourcen vor Ort ab. In der Woche der Münchner Familienzentren vom 13. bis 18. Mai laden die Zentren zu vielen Veranstaltungen ein. Kristina Pinto, stv. Leitung des Familienzentrums Friedenskapelle in der Kemptener Straße, sprach mit Johannes Beetz über die Vielfalt und Funktionen dieser Anlaufstellen.
Die Familienzentren sind ja ganz unterschiedliche Einrichtungen - mal größer, mal kleiner. Welche Bedeutung haben sie für das Zusammenleben im Viertel?
Kristina Pinto: Familienzentren sind für viele Familien Treffpunkt und Anlaufstelle im Viertel, sei es für Frühstückstreffs, Krabbelgruppen oder andere Angebote. Familien erhalten dort oft eine Eingangsberatung zu allen Fragen, die den Alltag der Familien betreffen. Die Familien lernen sich in den Familienzentren gegenseitig kennen, knüpfen soziale Kontakte und Netzwerke entstehen. Dies bietet den Familien niedrigschwellige Unterstützung und Entlastung. Bei größeren Problemen und Hilfebedarfen vermitteln die Familienzentren häufig an weiterführende Unterstützungsangebote.
Was können Familienzentren leisten, was andere Einrichtungen nicht können?
Kristina Pinto: Familienzentren sind vor allem durch ihre offenen Treffangebote sehr niederschwellig zu erreichen, will heißen, sie haben oftmals keine festen Gruppen, viele Angebote sind kostenlos und ohne Anmeldung, es herrscht kein Konsumzwang und jede*r ist willkommen. Das baut Barrieren ab und die Familien, die z.B. in dem ein oder anderen Bereich Hilfe brauchen, werden einerseits besser gesehen und wenden sich andererseits leichter an die Mitarbeitenden der Familienzentren, da sie die Einrichtung vielleicht bereits kennen und lieben gelernt habe.
Mit welchen Herausforderungen haben Münchner Familien zu kämpfen?
Kristina Pinto: Ein großes Thema sind bezahlbare und verfügbare Betreuungsplätze in KiTas. Aber auch die Betreuungszeiten machen vielen Familien zu schaffen. In einer teuren Stadt wie München müssen meist beide Elternteile Vollzeit arbeiten, dies ist aber oftmals schwer umzusetzen, da es zu wenige Ganztagesbetreuungsplätze gibt oder die angebotenen Zeiten einfach nicht zur Arbeitsrealität passen.
Eine andere Sache sind sicherlich die gesteigerten Ausgaben: Mieten, Betreuung, Lebensmittel etc. Das betrifft am Ende natürlich alle, Familien sind wegen des deutlich geringerem Pro-Kopf-Einkommens aber stärker betroffen und kommen dann auch mit ihren Sorgen und Fragen zu uns.
Vor allem Familien, die durchs Raster fallen, z.B. Alleinerziehende, Familien mit Kindern die Förderbedarf haben, Großfamilien, tauchen irgendwann bei uns auf. Besonders zugenommen haben Beratungen von Familien mit Migrations- und Fluchthintergrund sowie Familien, welche von Armut betroffen sind und mit den komplexen bürokratischen Strukturen nicht zurechtkommen.
Was brauchen Kinder für ein gelungenes Aufwachsen in unserer Stadt?
Kristina Pinto: Generell brauchen Kinder eine wohl wollende Atmosphäre, um sich gut entwickeln zu können. Das heißt konkret: glückliche, entspannte und zugewandte Eltern, angemessener Wohnraum, individuelle Förderung, Aufwachsen ohne Angst und Ausgrenzung. In einer bunten Stadt wie München ist es unsere Aufgabe, Kindern ein gesundes Aufwachsen zu ermöglichen und uns für Chancengleichheit aller Kinder einzusetzen.
Mehr Väter sollten eine mehr Verantwortung in der Erziehung ihrer Kinder übernehmen. Wie weit sind wir auf diesem Weg?
Kristina Pinto: Wir bei uns im Zentrum können eindeutig beobachten, dass mehr und mehr Väter zu den Angeboten kommen und an der Entwicklung ihrer Kinder teilhaben wollen. Ich denke, da sind wir auf einem guten Weg - wenngleich ein Großteil der Nutzer immer noch Mütter sind, weil sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen noch nicht so weit entwickelt haben, dass wir von einer paritätischen Nutzung sprechen können.
In einer Stadt der kulturellen Vielfalt und der Migration hat „Familie” viele Gesichter. Verwurzelung in der Gesellschaft, Ansprüche an sie und Stellenwert sind unterschiedlich. Wie wirkt sich das im Alltag der Zentren aus?
Kristina Pinto: Der überwiegende Teil der Familien, die uns besuchen, leben in „klassischen” Familienmodellen, bei denen häufig auch der eigene Sozialisationshintergrund eine bedeutende Rolle spielt. Je nach Umfeld und Schwerpunkt der Familienzentren gibt es natürlich Abweichungen. Die Zahlen des Regenbogen Familienzentrums beispielweise werden eine andere Sprache sprechen. Aber auch Ein-Eltern-Familien, Patchwork Familien, Stieffamilien und weitere besuchen regelmäßig die Familienzentren und finden dort einen Ort des Wohlfühlens und der Gemeinsamkeit. Denn egal, welchen Hintergrund die Familien haben, in den Familienzentren kommen alle zusammen. Deshalb sind wir ein Ort der Begegnung und des Austauschs.
Was wünschen Sie sich für die Familienzentren?
Kristina Pinto: Die Familienzentren leisten in München einen elementaren Beitrag für die Soziallandschaft und bewirken, dass Familien unterschiedlichster Herkunft im Viertel zusammenwachsen. Sie wirken präventiv und unterstützend für Familien und sichern so ein gesundes Aufwachsen der Kinder. Um diese Wirkung nachhaltig zu sichern, müssen sich die Familienzentren weiterhin auf eine ausreichende Förderung durch die Stadt München verlassen können und sind zudem immer auf Spenden aus der Münchner Bevölkerung angewiesen.
Mehr Infos zur Woche der Familienzentren unter https://familienzentrum-muenchen.de.