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Veröffentlicht am 03.09.2025 16:31

Die Vergangenheit im Blick

Der Tutzinger Jugendbeirat fordert durch einen Antrag im Gemeinderat, die Elly-Ney-Straße aufgrund der nationalsozialistischen Vergangenheit der Künstlerin Ney in „Am Pfaffenberg“ umzubenennen und dort eine Informationssäule aufzustellen.

„Eine Münchner Expertenkommission empfahl der Stadt München jüngst die Umbenennung der dortigen Elly-Ney-Straße“, erklärt Joel Hafner vom Jugendbeirat. „Wir sehen uns deshalb in unserer schon länger bestehenden Haltung bestätigt: Eine Elly-Ney-Straße in Tutzing können wir nicht verantworten“, ergänzt Paul Friedrich, ebenfalls vom Jugendbeirat.

„War aktive
Unterstützerin”

Denn Elly Ney trat bereits 1937 in die NSDAP ein, erhielt später das Kriegsverdienstkreuz und wurde in die „Gottesbegnadetenliste“ aufgenommen. Sie lobte Hitler öffentlich und bekannte sich dazu, mit ihrer Musik Teil der NS-Propaganda sein zu wollen. Sie trat vor dem „Generalgouvernement“ in Polen auf und zeigte ihre antisemitische Haltung öffentlich, indem sie etwa Auftritte mit jüdischen Künstlern verweigerte oder deren „Ausschaltung“ forderte.

„Für uns ist deshalb eindeutig: Elly Ney war keine Mitläuferin, sondern aktive Unterstützerin der NS-Herrschaft. Durch ihre Musik war sie Propagandistin des Regimes“, betont Paul Friedrich. Sie hat sich nach Auffassung des Jugendbeirates nie glaubwürdig vom NS-Regime distanziert.

Ney war Künstlerin, sie lebte von 1929 bis zu ihrem Tod 1968 in Tutzing. Daher rührt die ursprüngliche Straßenbenennung. „Ihre NS-Vergangenheit wirkt so schwer, dass andere Verdienste ihr Fehlverhalten nicht ausgleichen können“, sagt Yannick Schoening (Jugendbeirat). Eine Straße nach einer Antisemitin, Antidemokratin und Hitler-Anhängerin zu benennen und ihr damit eine Ehre zuteil werden zu lassen, lehnt der Jugendbeirat ab.

Bereits 2009 diskutiert

Der Jugendbeirat sieht sich dabei neben dem erwähnten Münchner Gutachten auch von Experten bestätigt, die sich bereits 2009 äußerten. Damals wurde die Diskussion um die Umbenennung der Elly-Ney-Straße unter Bürgermeister Stephan Wanner schon einmal intensiv geführt. Dort entschied sich der Gemeinderat gegen eine Umbenennung. Der Jugendbeirat Tutzing hält dies für einen Fehler, den es zu korrigieren gilt.

Dass mit der Umbenennung für die Anwohner Aufwand einhergeht, ist dem Jugendbeirat bewusst. Er war deshalb in der Elly-Ney-Straße unterwegs und hat die Anwohnerinnen und Anwohner befragt. „Während wir auch kritische Stimmen gehört haben, stellen sich die meisten Anwohner einer Umbenennung nicht entgegen. Einige unterstützen unser Anliegen sogar“, erklärt Tobias Möller. „Der Aufwand muss es uns aber auch wert sein. Die Ehrung einer NS-Unterstützerin durch eine Straßenbenennung ist mit unserem Verständnis für Demokratie, Toleranz und Vielfalt nicht vereinbar“, sagt Tim Terbrack ergänzend.

Informationssäule aufstellen

Um die Geschichte nicht „auszuradieren“, möchte der Jugendbeirat im Zuge der Umbenennung aus eigenem Budget eine Informationssäule aufstellen lassen, um an die Historie von Straße und Person zu erinnern.
„Auch in Pöcking wurde eine Straße umbenannt, Herrsching diskutiert darüber“, so Paul Friedrich. Es handele sich also um eine Frage, die aktuell viele Gemeinden beschäftigt. Dies komme nach Ansicht des Jugendbeirates nicht von ungefähr. „Denn in Zeiten, in denen Rechte und rechtsextreme Parteien an Zuspruch gewinnen, ist ein klares Zeichen für Vielfalt, Toleranz und Demokratie wichtig“, sagt Tim Terbrack, Jugendbeirats-Vorsitzender.

Schon länger beschäftigt sich der Jugendbeirat mit der Vergangenheit der eigenen Gemeinde, insbesondere zur Zeit des nationalsozialistischen Regimes. So organisierte er im vergangenen Herbst eine Veranstaltung zur Entwicklung der NSDAP im Landkreis Starnberg mit Kreisarchivarin Dr. Friederike Hellerer. Ebenso fordert er eine ganzheitliche Aufklärung der nationalsozialistischen Vergangenheit Tutzings, denn während andere Gemeinden wie die Nachbargemeinden Feldafing und Pöcking durch wissenschaftliche Untersuchungen ihre Geschichte aufgearbeitet haben, fehlt ein solcher Prozess in Tutzing bisher. „Wir möchten Tutzings Vergangenheit auf wissenschaftlicher Basis und mit breiter Bürgerbeteiligung aufarbeiten“, erklärt deshalb Tim Terbrack. Hierfür soll die nun im Gemeinderat eingebrachte Straßenumbenennung ein erster Schritt sein.

Das macht der Jugendbeirat

Der 2022 gegründete Jugendbeirat Tutzing setzt sich in der Gemeinde für die Interessen und Anliegen der Tutzinger Jugendlichen ein. Dafür steht ihm ein Rede- und Antragsrecht im Gemeinderat, sowie ein eigenes Budget zur Verfügung. Der überparteilich agierende Jugendbeirat besteht aktuell aus zehn Jugendlichen und wird alle zwei Jahre neu gewählt.
Weitere Informationen gibt es unter www.jugendbeirat-tutzing.de.

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