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Veröffentlicht am 28.04.2025 11:10

Vision Zero im Schneckentempo


Von red

Am Samstag, 26. April, jährte sich der tragische Tod einer 65-jährigen Radfahrerin, die auf der Kreillerstraße in Trudering von einem LKW überrollt wurde. Die Frau war auf einem sogenannten Radstreifen in Mittellage (RiM) unterwegs – einem hochumstrittenen Infrastrukturtyp, der nach wie vor in München existiert, obwohl seine Risiken offenkundig sind.
Nach dem Unfall versprach Oberbürgermeister Dieter Reiter, alle Radstreifen in Mittellage stadtweit überprüfen zu lassen. Bislang wurden jedoch keine Ergebnisse einer solchen Überprüfung bekannt. In der Kreillerstraße selbst ist nichts passiert. Ein paar Halteverbotsschilder. Das war’s. Der ADFC forderte nach dem tödlichen Unfall vor einem Jahr sofortige Sicherheitsmaßnahmen und den kompletten Umbau der Kreuzung.
Andreas Schön, Sprecher des Radentscheids: „Mehrspurige Ausfallstraßen mit hoher Verkehrsstärke und vielen abbiegenden Fahrzeugen eignen sich grundsätzlich nicht für Radstreifen in Mittellage. Da braucht es keine weiteren Überprüfungen. Der Oberbürgermeister muss in der Kreillerstraße endlich ein Machtwort sprechen und den Umbau anordnen. Dabei muss auch eine eigene Ampelphase für den Radverkehr in Betracht gezogen werden, auch wenn es hierdurch zu Staus kommen sollte.”
Denn die Vision Zero – null Verkehrstote – ist seit 2018 offizielles Ziel der Stadt München. Doch bei der Umsetzung hakt es gewaltig: Fünf Radfahrende starben allein im vergangenen Jahr im Münchner Straßenverkehr, 3.180 wurden verletzt, davon 318 schwer. Gleichzeitig wird die Umsetzung des Radentscheids ausgebremst, weil die nötigen Gelder für den Umbau nicht durch den Stadtrat bereit gestellt werden - obwohl viele (weitgehend) fertige Planungen vorliegen.
Katharina Horn, Sprecherin des Radentscheids: „Wir brauchen das Schneckentempo auf der Straße selbst, aber nicht beim Vollzug der Maßnahmen der Stadt. Falsche Prioritäten in der Verwaltung und bei der Stadtregierung gefährden letztlich Menschenleben. Wer die Vision Zero ernst meint, muss handeln – konsequent und mit echtem Fokus auf Sicherheit. Der Stadtrat muss die Gelder für den nötigen Umbau bereitstellen, trotz schwieriger Kassenlage.”

Hintergrund

  • Bei einem RiM befindet sich die Radspur zwischen der oder den Geradeausspuren und der Rechtsabbiegespur für den Kfz-Verkehr. Der RiM wird oft mit hoher Geschwindigkeit von abbiegenden Kfz überfahren. Radfahrende und Kfz-Lenkende haben daher kaum eine Chance zu reagieren, wenn sie nicht (rechtzeitig) wahrgenommen wurden.
  • Die seit einigen Jahren in LKW vorgeschriebenen Abbiegeassistenten wirken dort aus technischen Gründen nicht oder nur unzureichend.
  • Schrittgeschwindigkeit für LKW über 3,5 Tonnen ist nur beim Abbiegen vorgeschrieben, nicht jedoch beim Fahrstreifenwechsel, wie an einem RiM.
  • Im Jahr 2024 gab es bundesweit insgesamt 14 tödliche Rechtsabbiegeunfälle zwischen LKW und Fahrrad, 3 davon auf RiM. Angesichts der Tatsache, dass solche Abbiegeunfälle letztlich überall passieren (können) und es nur sehr wenige RiM gibt, stellt das eine stark überproportionale Häufung dar.
  • Bereits 2019 hat die TU-Berlin festgestellt, dass an den untersuchten Berliner Kreuzungen durch den Einsatz von RiM zwar die Zahl der Unfälle leicht zurückgegangen ist, diese jedoch erheblich schwerwiegender ausgefallen sind. Das ist angesichts der höheren Geschwindigkeiten naheliegend.

Terminhinweise

Am Sonntag, 18. Mai, findet die ADFC-Radsternfahrt ein. Mit dieser Fahrt setzt sich der Radentscheid München für einen Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik und eine deutliche Verbesserung der Rahmenbedingungen für den Radverkehr ein. Details untermuenchen.adfc.de/sternfahrt.
Beim $Ride-of-Silence am Mittwoch, 21. Mai, gedenkt der Radentscheid München im Rahmen einer Gedenkfahrt den im Straßenverkehr getöteten Radfahrenden. Details folgen unter www.radentscheidmuenchen.de/veranstaltungen/ride-of-silence-2025/.

Bündnis Radentscheid

Ganz München braucht sichere und breite Radwege, ein Rad-Vorrangnetz in der ganzen Stadt, sichere Kreuzungen und Einmündungen sowie mehr Radabstellplätze, sowie die Umsetzung eines Altstadt-Radlrings. Der Trägerkreis aus ADFC, Bündnis 90/Die Grünen, BUND Naturschutz, DIE LINKE, Green City e.V. und ÖDP mit der Unterstützung eines breiten Bündnisses von mehr als 50 Partnerorganisationen, rund 1.200 ehrenamtlichen Radlbotschafterinnen und Radlbotschafter und 160.000 Münchner Unterschriften arbeitet weiter an der Umsetzung der wichtigen Mobilitätswendemaßnahmen.

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