Franz Xaver Peteranderl ist Präsident der Handwerkskammer für München und Oberbayern. Das Handwerk bietet jungen Leuten stabile, zukunftsfähige Jobs in rund 130 Ausbildungsberufen, erklärt er.
Die Qualität der Ausbildung ist bei uns sehr hoch. Schulen sind indes überfrachtet mit Aufgaben und überfordert von Problemen wie Lehrermangel, so dass Abschlussjahrgängen oft wichtige Fähigkeiten fehlen. Welche Lücken sehen Sie und wie können wir den gesamten Bildungsweg qualitativ auf einem hohen Niveau halten?
Franz Xaver Peteranderl: Ich halte noch mehr Berufsorientierung in den Schulen für wichtig, auch wenn mit dem „Tag des Handwerks“ in Bayern schon ein großer Schritt gemacht wurde. Natürlich müssen die Schulen aber auch dafür sorgen, dass sie bei den Jugendlichen jene Kompetenzen fördern, die im Arbeitsleben wichtig sind. Das könnte z.B. auch über eine engere Kooperation zwischen Schulen und Betrieben passieren. Außerdem brauchen wir generell eine stärkere Wertschätzung der beruflichen Bildung. Sie ist genauso viel wert wie eine akademische Ausbildung.
Eine Berufswahl kann schlicht scheitern – was kann man machen, wenn man merkt, dass eine begonnene Ausbildung doch nicht passt?
Franz Xaver Peteranderl: Zunächst einmal gilt es, sich vorab gut zu informieren und Praktika zu machen. Wenn es dann doch einmal nicht passt, gibt es im Handwerk viele Wege. Ein Wechsel zu einem anderen Betrieb oder in einen anderen Beruf ist immer möglich. Bei Schwierigkeiten in der Lehre hilft die Handwerkskammer dabei, eine Lösung zu finden und neue Möglichkeiten aufzuzeigen. Wichtig ist vor allem, dass die jungen Leute im dualen Bildungssystem bleiben und ihre Lehre nicht komplett abbrechen.
Welche Grundvoraussetzungen sollte ein junger Mensch mitbringen, wenn er seine Ausbildung beginnt?
Franz Xaver Peteranderl: Wer im Handwerk durchstarten möchte, muss Zuverlässigkeit, Teamgeist und Freude am praktischen Arbeiten und dem Umgang mit Menschen an den Tag legen. Wer noch dazu bereit ist, jeden Tag Neues zu lernen, bringt beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Karriere in unserem Wirtschaftsbereich mit.
Viele junge Leute (und deren Eltern) streben den höchstmöglichen Schulabschluss an. Ist das in Ihren Augen eine sinnvolle Ausrichtung?
Franz Xaver Peteranderl: Nicht unbedingt. Jedes Kind ist anders. Der eine ist mehr theoretisch begabt, der andere mehr Praktiker. Im Handwerk zählen Motivation und Geschick mehr als der höchstmögliche Schulabschluss. Viele erfolgreiche Berufskarrieren wurden einmal mit einer dualen Ausbildung begonnen und haben mit Weiterbildungen – wie etwa der Meisterprüfung – bis zur leitenden Position in einem Unternehmen oder zur Selbstständigkeit geführt.
Wünschen Sie sich von den Schulen mehr „praktische“ Unterstützung, um junge Leute an die Ausbildung heranzuführen?
Franz Xaver Peteranderl: Werkunterricht, Praktika, Betriebsbesuche und gemeinsame Projekte mit Unternehmen sollten fester Bestandteil des Schulalltags sein. So entsteht bei den Jugendlichen früh ein realistisches Bild vom Arbeitsleben, das Lust auf eine Berufsausbildung macht.
Eine Berufswahl sollte ein gutes Fundament für einen Jahrzehnte währenden Weg sein. Wie kann man sich als junger Mensch ohne viel Lebenserfahrung sicher sein, den „richtigen“ Beruf gefunden zu haben?
Franz Xaver Peteranderl: Im Handwerk hilft vor allem ausprobieren: Schnuppertage oder auch Ferienjobs können Einblicke in verschiedene Berufe liefern. Die Vorabinformation über Berufsbilder im Internet ist der erste Schritt, aber dann sollten praktische Erfahrungen folgen. Wichtig ist bei der Berufsorientierung, auf die eigenen Interessen und Fähigkeiten zu achten – und sich nicht nur an den Verdienstmöglichkeiten zu orientieren oder von den Ratschlägen Dritter leiten zu lassen.
In welchen Bereichen und Branchen sehen Sie die besten Zukunftsperspektiven? Von welchen raten Sie eher ab?
Franz Xaver Peteranderl: Das Handwerk bietet stabile, zukunftsfähige Jobs in rund 130 Ausbildungsberufen. Besonders gefragt sind derzeit Berufe aus den Bereichen Mobilität, Energieeffizienz, Digitalisierung und Ernährung. Gemeinsam mit der Politik sorgen wir dafür, dass die berufliche Bildung inhaltlich immer auf dem neuesten Stand und somit attraktiv für junge Leute bleibt.
München ist eine sehr teuere Stadt. Auszubildende sind mit ihrem Gehalt schnell an der Grenze ihrer Möglichkeiten. Wie können Betriebe und Politik für Unterstützung sorgen?
Franz Xaver Peteranderl: Vorab: Die Ausbildungsvergütungen sind in vielen Handwerksberufen in den letzten Jahren deutlich angehoben worden. Trotzdem sind sie nur als Zuschuss zum Lebensunterhalt gedacht. Aber es stimmt, der Bedarf an Wohnraum ist ein zentrales Thema, nicht nur in der Landeshauptstadt. Grundsätzlich muss die Politik weiter Azubi-Wohnheime fördern und den ÖPNV ausbauen, damit junge Leute auch außerhalb von München einfacher in ihren Ausbildungsbetrieb und in die Berufsschule kommen. Auch in unserem Wirtschaftsbereich gibt es Betriebe, die Zimmer bereitstellen oder mit Zuschüssen helfen, die Miete zu finanzieren.
In den letzten Jahren hat das Bewusstsein für Nachhaltigkeit deutlich zugenommen; dann hat Künstliche Intelligenz begonnen, auch unsere Arbeitswelt massiv zu verändern. Mit welchen Veränderungen werden wir in nächster Zukunft zurechtkommen müssen? Sind wir dafür gut gerüstet?
Franz Xaver Peteranderl: Unser Wirtschaftsbereich hat über Jahrhunderte viele Veränderungen durchmachen müssen und ist immer noch ein wichtiger Bestandteil der Wirtschaft. Deshalb blickt das Handwerk auch ziemlich gelassen auf die Veränderungen der Arbeitswelt. Künstliche Intelligenz kann keine energiesparenden Heizkessel montieren oder schicke Frisuren schneiden. Ich sehe vielmehr Chancen, dass KI im Handwerk Planungsprozesse und Kundenkommunikation erleichtern und bei der Bewältigung von Bürokratie helfen kann. Dies müssen die Betriebe nutzen, sich digital weiterbilden und gleichzeitig ihre Stärke – die praktische Umsetzung beim Kunden – bewahren.