„Bücher wie dieses werden höchstens alle zehn Jahre einmal geschrieben“, notierte Johannes Mario Simmel zu Brigitte Schwaigers „Wie kommt das Salz ins Meer?“ Die Österreicherin war erst 28 Jahre alt, als ihr Erstlingswerk 1977 erschien und sie über Nacht zur „Literatur-Sensation” wurde.
Als „Ich” erzählt Schwaiger von der Bürgerlichkeit ihres Elternhauses in der Provinz, von der Monotonie im Ehealltag und den vergeblichen Versuchen eines Ausbruchs aus dieser eingespielten, glücklosen Welt. Sie ist eigentlich eine, die alles hat, wovon man nur träumen kann. Ihr Problem: Es ist nicht ihr Traum, der da geträumt wird.
Schwaiger gelingt das Kunststück, das ständig Ungesagte, mit dem sich Generationen und Geschlechter gegenseitig verletzen, zwischen wenigen Zeilen zu enthüllen. So entstehen wunderbare Passagen wie diese:
„Mama ist froh, dass ich eine gute Ehe führe. Sie sagt, dass mein Vater sie nicht verstehe. Großmutter sagt, sie hat mit Großvater allerhand mitgemacht. Vater sagt, dass Großmutter Großvater nie verstanden hat. Großmutter sagt, dass Vater Mutter mehr achten soll. Vater sagt, das Mutter ihn nicht versteht.”
Fünfeinhalb Zeilen genügen ihr, um zu schildern, was Sache ist. Andere brauchen dafür ganze Dramen oder ein vielhundertseitiges Familienepos.
Den Schock, über Nacht berühmt geworden zu sein, hat sie nie überwunden, erzählt Schwaiger viele Jahre später. So jung und so verträumt sei sie gewesen und mit ihrem ersten Buch „einfach zu weit gesprungen”. Als Ausgeschlossene fühlt sie sich, leidet zunehmend unter psychischen Krankheiten, Depressionen, Burn out, Borderline. Über ihre Zeit in der Psychiatrie schreibt sie - und wird erneut gefeiert. 2010 wird sie in Wien tot aufgefunden. 2012 kürt das Ö1-Publikum „Wie kommt das Salz ins Meer” zum „Hörspiel des Jahres” - mehr als drei Jahrzehnte nach Erscheinen des Romans.
Bücher beschreiben, wie Frauen Selbstverständliches verwehrt wird.
Wir stellen vier Bücher vor, die wir im Bücherschrank Großhadern gefunden haben. Das sind die anderen drei aus unserem Quartett:
Der Bücherschrank Großhadern steht vor dem bald 100 Jahre alten früheren Rathaus in der Würmtalstraße 126. Der Verein Kultur in Hadern nutzt eine Schrankseite, um seine Veranstaltungen anzukündigen.