Das Dirndl hat’s nicht leicht: Gerne ist es als (zur Wiesnzeit gerne „nuttiger“) Kitsch verpönt oder wird von Heimattümler:innen zum Begründen eines nicht vorhandenen „Besserseins“ vereinnahmt.
Die Südtiroler Volkskundlerin Elsbeth Wallnöfer setzt sich in ihrem 104-Seiten-Bändchen „How to wear a Dirndl – (k)eine Gebrauchsanleitung“ so elegant wie kenntnisreich und deutlich über derlei Schwachsinn hinweg. Sie erzählt, wer das Dirndl 1942 zur Uniform für die „sittsame, biodeutsche Frau“ halluziniert hat und erklärt, was seine Minirock-Variante der Olympia-Hostessen über die 70er-Jahre verrät.
„Das Dirndl entspringt dem Versuch, Leichtigkeit und Buntheit ins Leben zu bringen“, schreibt Wallnöfer: Ab 1900 ermöglichten Baumwolldruck und Nähmaschinen, dass Frauen nicht mehr nur mit groben Stoffe schneidern konnten. Das Dirndl wurde zur Freizeitkleidung für die, die in einer sich veränderten Welt jetzt Freizeit hatten. Damit war das Dirndl ein aufmüpfiges Statement gegen die Tracht, die ein Überbleibsel aus vorindustrieller Zeit blieb (und geblieben ist).
Das Dirndl tut (Fragen Sie Ihren Schneider oder Fachverkäufer!) nichts anderes als eine Jeans oder ein Shirt: Es erlaubt Menschen, ihre Kreativität zu leben und sich dem eigenen Hang zur Schönheit hinzugeben. Es ist ein Stück Freiheit, denn „es ist die prinzipielle Gleichheit aller Menschen in einer Demokratie, die die Freiheit zur Mode, zur individuellen Kleiderwahl ermöglicht“, findet Wallnöfer.
Damit taugt das Dirndl weder für politische Statements noch für soziale Codierung (Was bedeutet die Schleife rechts, oben, links, hinten?) oder Diskussionen über kulturelle Aneignung (Dürfen Nicht-Oberbayerinnen Dirndl tragen?).
Wir leben in (zu Ende gehenden?) Zeiten, in denen jede und jeder grundsätzlich sein kann, wie sie und er mag. Eine Jede kann ein Dirndl tragen, wie sie es möchte - wenn sie es denn möchte. Wie lächerlich, einer Frau vorschreiben zu wollen, was sie gefälligst zu tragen habe (egal, ob es um Dirndl, Kopftuch oder knappe Höschen bei Sportwettbewerben geht).
Und so kommt die „Gebrauchsanleitung“ zum dem Schluss, dass es fürs Dirndl längst keine Gebrauchsanleitung mehr braucht – sondern Lebensfreude: „Das gute Stück steht für die Wandelbarkeit der Welt und ist nichts weniger als eine Spielart der Lebenslust“, unterstreicht Wallnöfer.
Kein schlechtes Fazit, das sich auf so viel Nicht-Dirndlisches übertragen lässt: Einfach mal alle Fünfe gerade sein lassen. Nicht jeder neue Trend führt schon wieder schnurstracks in den Untergang des Abendlandes.
Bücher rücken Dinge zurecht.
Wir stellen vier Bücher vor, die wir im Bücherschrank in Sendling-Westpark gefunden haben. Das sind die anderen drei aus unserem Quartett:
Der Bücherschrank Sendling-Westpark steht mitten auf dem Partnachplatz. Wer zur U-Bahn geht, kommt direkt an ihm vorbei.