„Die heutige Technik der Propaganda ist in ihren Folgen zerstörender als irgendeine militärische Waffe. Sie verhindert weitschauende, konstruktive Lösungen.” Der das schrieb, dachte nicht an „soziale” Medien wie X, Tiktok und anderen Firlefanz aus der Büchse der Pandora - sondern an Rundfunk, Zeitung, Bücher: Heinrich Brüning schrieb die Zeilen mit Blick auf die letzten Vor-Hitler-Jahre 1930 bis 1932. In denen führte er als Reichskanzler die letzte bürgerliche Regierung vor der Nazi-Diktatur und vor dem so unfassbaren wie unverzeihbaren Leid und Grauen, das sie über Millionen Menschen brachte. In seinen fast 40 Jahre später erschienenen Memoiren schildert er sein damaliges Denken und Tun - und sein Scheitern.
Brüning unterschätzte wie viele seiner Zeitgenossen die existentielle Gefahr, in die der Faschismus Deutschland stürzte. Er wollte die NSDAP zur politischen Verantwortung zwingen und sie so entzaubern (an wen erinnert Sie das?). Doch die Rechtsextremen wurden in seiner Amtszeit zur zweitstärksten Fraktion im Parlament, in dem fortan keine stabilen Mehrheiten mehr zustande kamen. Brüning stimmte dann sogar Hitlers Ermächtigungsgesetz zu, das die Verfassung außer Kraft setzte, jedermanns Grundrechte ausradierte - und auch den nun um sein Leben fürchtenden Brüning zur Flucht zwang.
Geschichte wiederholt sich nicht. Aber man kann aus ihr lernen, denn menschliches Verhalten ist nicht sonderlich kreativ, sondern recht gut abschätzbar und daher (in der Regel von denen, die Bösartigkeit für Stärke halten) leider mühelos lenkbar. „Jüngere Menschen guten Willens sollten in der Lage sein, aus den Ereignissen eigene Schlüsse zu ziehen”, rät Brüning im Rückblick. Das gilt heute nicht minder - wie auch diese seine Warnung: „Auf alle Fälle wird sich eine demokratisch-parlamentarische Regierungsform nur so lange halten können, als alle Parteien, ob sie in der Regierung oder in der Opposition sind, sich für den Staat voll verantwortlich fühlen.”
Nach der flächendeckenden Verwüstung und der Ermordung von Millionen in Shoa und Krieg stellte sich Heinrich Brüning in seinen Memoiren als gewieften und vorausschauenden Strategen dar, dessen Plan Deutschland vor dem Nationalsozialismus hätte bewahren können. „Hätte er nur ein paar Monate länger regieren können, hätte es keine Zweiten Weltkrieg und keine Hitlerdiktatur gegeben”, lässt er sich im Nachwort attestieren. Historiker lassen ihm diese nachträgliche Selbstrechtfertigung nicht durchgehen und werfen Brüning vor, die Ursache für seinen Misserfolg nicht im eigenen Versagen oder in widrigen Umständen erkennen zu wollen.
Bücher erzählen, was hinter den Kulissen geschehen ist.
Der Bücherschrank an der Münchner Freiheit steht direkt am Busbahnhof. Der Platz erhielt seinen Namen im Gedenken an die Widerstandsgruppe Freiheitsaktion Bayern (FAB), die im April 1945 zur Kapitulation vor den amerikanischen Truppen und zum bewaffneten Aufstand gegen die Nationalsozialisten aufrief. Mehr als 40 Aufständische sind bekannt, die der FAB gefolgt waren und nur Stunden vor der Befreiung ermordet von den Nazis wurden.