Eine Reportage zu schreiben ist nichts anderes, als Dinge, die man beobachtet, festzuhalten. Das hat weder mit dem zu tun, was „Karla Kolumna“ (eine oft übergriffige Figur aus Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg) treibt, noch was „Influencer“ (oft übergriffige Figuren auf Tik, Tak und Tok) anrichten.
Als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus gilt hingegen Egon Erwin Kisch. Nach dem Titel einer seiner Reportagebände ist er als „der rasende Reporter“ bekannt.
„Der Reporter hat keinen Standpunkt. Er hat unbefangen Zeuge zu sein“, heißt es im Vorwort zu Kischs Reportagen. Kisch unternimmt in ihnen einen „Streifzug durch das dunkle London“, ist „Bei den Heizern der Riesendampfers“, beschreibt den „Raubmord im Hotel Bristol“ oder schlicht den „Heringsfang“.
Kisch ist ein genauer Beobachter. Denn (auch das weiß das Vorwort) „nichts ist verblüffender als die einfache Wahrheit“. Zum Beispiel in der Spionageaffäre um den Selbstmord des Obersten Alfred Redl 1913. Die Vertuschungsversuche der Monarchie vereitelt Kisch, indem er ein „Dementi“ veröffentlicht und erst dadurch die ganze Welt von der Affäre erfährt.
Kisch war 1918 Revolutionär, dann Kommunist. Er wurde 1933 aus Deutschland ausgewiesen und war im Widerstand gegen die Nazis aktiv. Drei seiner Brüder gingen an der Front, im Ghetto bzw. im KZ Auschwitz zugrunde.
Wer wie Kisch die Welt um sich herum sachlich beobachtet, kann eine fundierte Haltung zu all den Dingen, die er wahrnimmt, entwickeln. Heute versuchen es zu viele Zeitgenossen genau andersherum: Sie haben zuerst eine „Haltung“ und füttern diese dann durch die immergleichen „News“ und Klicks.
Wer die Welt wirklich begreifen will, muss über den Tellerrand schauen. Muss Fremdartiges ansehen. Muss andere Haltungen nachvollziehen (nicht gleich teilen!). Denn wenn man sich schon als Paar nicht sofort einig werden kann, welche Schuhe die schönsten oder welcher Film der lustigste ist, wie soll man dann mit viel unvertrauteren Menschen eine gewinnbringende Diskussion über Gaza, Tempo 30 oder „Früher war alles besser“ führen?
Kischs Reportagen sind legendär, weil er über ein gutes Handwerkszeug verfügte: sein Interesse an Menschen. Haben das die „Schreihälse“, die uns auf der Straße und im Netz ständig die „Wahrheit” einbläuen wollen, auch?
Bücher zeigen die Dinge, wie sie nun mal sind.
Wir stellen vier Bücher vor, die wir im Bücherschrank Pasing gefunden haben. Das sind die anderen drei aus unserem Quartett:
Der Bücherschrank Pasing steht mitten auf dem Pasinger Rathausplatz. Daneben ist eine kleine Spielfläche für Kinder.