Frauen und Männer reagieren unterschiedlich auf Krankheiten und Behandlungen. Das ist mittlerweile allen klar. Aber warum wirken Medikamente bei Frauen anders als bei Männern? Und wieso sind Frauen in klinischen Studien nach wie vor unterrepräsentiert? Weshalb ist Gendermedizin in Deutschland immer noch nicht Bestandteil der medizinischen Ausbildung? Wie dringend wir geschlechtersensible Perspektiven in Forschung, Lehre und Pflege berücksichtigen müssten, zeigt die Reihe „Gendermedizin” des Vereins Frau-Kunst-Politik. Zusammen mit den SPD-Frauen München Land lud er zur Veranstaltung „Frauenherzen schlagen höher” ein. Dabei legten u.a. Prof. Dr. med. Vanadin Seifert-Klauss (Leiterin des Osteoporose- und Endometriosezentrums der Frauenklinik TUM) und Natascha Sagorski (Autorin und Initiatorin des Gesetzes zum Gestaffelten Mutterschutz) detailliert dar, warum wir frauenspezifische Medizin brauchen.
In der medizinischen Forschung wurden geschlechterspezifische Unterschiede lange vernachlässigt. Das betrifft nicht nur Krankheitsbilder wie Brustkrebs oder Endometriose, sondern auch das Wissen über die Wirkung und Nebenwirkungen von Medikamenten bei Frauen. „Die Rahmenbedingungen werden überwiegend von Männern dominiert”, stellte Naciye Özsu, Vorsitzende der SPD Frauen München-Land, fest. Die Folge: „Viele Frauen erhalten keine adäquate Diagnose, ziehen sich zurück und werden unsichtbar.” Eine umfassende Medizinforschung sollte die Unterschiede berücksichtigen und spezifische Forschungsinitiativen fördern, die sich auf die Gesundheit von Frauen konzentrieren.
Frauen haben, anders als Männer, neben der Pubertät eine zweite Lebensphase mit erheblichen hormonellen Schwankungen, die für 30 bis 60 Prozent der Betroffenen mit unerwarteten körplichen und psychischen Problemen einhergehen. Das Gefühl, „nicht mehr die zu sein, als die man sich kennt”, kann durch Aufklärung über die köperlichen Vorgänge in der Peri- und Postmenopause gemildert werden. Starke Beschwerden in diesen Lebensphase sollten nicht ignoriert werden. Therapeutischer Nihilismus ist nicht angebracht.
„Viele Dinge liegen noch im Argen”, kritisierte Dr. Hildegard Seidl (Fachreferentin für Gendermedizin, MünchenKlinik). Frauen waren historisch in klinischen Studien oft unterrepräsentiert, was zu einem Mangel an Daten über die Wirksamkeit und Sicherheit von Medikamenten bei Frauen führte. . In Notaufnahmen, nannte Seidl ein weiteres drastisches Beispiel, warten Frauen eine halbe Stunde länger auf Schmerzmittel als Männer.
Prof. Dr. med. Vanadin Seifert-Klauss erläuterte u.a., dass einige Risikofaktoren z.B. für Herz-Kreislauf-Erkrankungen Frauen besonders treffen, da sich diese in der Menopause verstärken: Ein jahrelang niedriger Blutdruck könne dann plötzlich „kippen” und hohe Werte zeigen; Depressionen auch rund um das sich verändernde Familiengefüge, Diabetes und chronische Schlafstörungen treten auf - mitunter länger als man gemeinhin denkt. Bei ein bis zwei Prozent der Frauen halten Hitzewallungen bis ins ins 80. Lebensjahr an.
Natascha Sagorski schilderte, wie mühsam und langwierig der Kampf um die Verbesserung der Lage von Frauen ist. Nach einer Fehlgeburt begann sie, sich für einen - nun ab 1. Juni gesetzlich gesicherten - gestaffelten Mutterschutz einzusetzen. Der gestaffelte Mutterschutz ermöglicht Frauen, sich nach dem vorzeitigen Ende einer Schwangerschaft zu erholen, und schützt sie vor Arbeitspflichten. Ab der 13. Schwangerschaftswoche ist ein Mutterschutz von zwei Wochen möglich, ab der 17. Schwangerschaftswoche sechs Wochen und ab der 20. Schwangerschaftswoche acht Wochen. Bisher wurde von Frauen nach einer frühen Fehlgeburt eine Krankschreibung oft verweigert. „Ich habe so viel Traumatisches erlebt”, erzählte Sagorski von ihrer Fehlgeburt, „ich habe getrauert, ich habe geblutet, ich hatte Schmerzen - und sollte am nächsten Tag wieder arbeiten.”
„Frauen führen einen großen Kampf, um ernst genommen, um wahrgenommen zu werden”, fasste Seidl zusammen. Gegenwärtig komme das Gefühl auf, es gehe wieder Schritte zurück. Sagorski rief daher dazu auf, parteiübergreifende Bündnisse mit allen demokratischen Parteien zu suchen: „Dann können wir für die Frauengesundheit viel erreichen!”
Der Verein frau-kunst-politik e.V. setzt sich für die Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männer, für die Förderung der Kunst und Kultur und für die Förderung des Völkerverständigungsgedankens ein. Er versteht sich als Plattform für migrantische, weibliche Repräsentation. Info: https://frau-kunst-politik.de.