Bild
Bild

Gedenktafel für Philipp Auerbach in der Holbeinstraße enthüllt


Von Benjamin Schuldt
Jonathan Coenen (2. von rechts) und Rhiannon Moutafis (rechts) vom Erinnerungsort Badehaus in Waldram enthüllten die Gedenktafel für Philipp Auerbach im Beisein von Auerbach-Biograf Hans-Hermann Klare und Verena Di Pasquale (links) von der DRV Bayern Süd. (Foto: bas)
Jonathan Coenen (2. von rechts) und Rhiannon Moutafis (rechts) vom Erinnerungsort Badehaus in Waldram enthüllten die Gedenktafel für Philipp Auerbach im Beisein von Auerbach-Biograf Hans-Hermann Klare und Verena Di Pasquale (links) von der DRV Bayern Süd. (Foto: bas)
Jonathan Coenen (2. von rechts) und Rhiannon Moutafis (rechts) vom Erinnerungsort Badehaus in Waldram enthüllten die Gedenktafel für Philipp Auerbach im Beisein von Auerbach-Biograf Hans-Hermann Klare und Verena Di Pasquale (links) von der DRV Bayern Süd. (Foto: bas)
Jonathan Coenen (2. von rechts) und Rhiannon Moutafis (rechts) vom Erinnerungsort Badehaus in Waldram enthüllten die Gedenktafel für Philipp Auerbach im Beisein von Auerbach-Biograf Hans-Hermann Klare und Verena Di Pasquale (links) von der DRV Bayern Süd. (Foto: bas)
Jonathan Coenen (2. von rechts) und Rhiannon Moutafis (rechts) vom Erinnerungsort Badehaus in Waldram enthüllten die Gedenktafel für Philipp Auerbach im Beisein von Auerbach-Biograf Hans-Hermann Klare und Verena Di Pasquale (links) von der DRV Bayern Süd. (Foto: bas)

Er setzte sich nach dem Zweiten Weltkrieg als Staatskommissar für politisch, rassisch und religiös Verfolgte ein - und nahm sich, nachdem er wegen seiner jüdischen Herkunft angefeindet und wegen angeblicher Verfehlungen verurteilt worden war, mit nur 45 Jahren das Leben. Seit kurzem erinnert an seiner Wirkungsstätte in der Holbeinstraße eine Gedenktafel an Philipp Auerbach.

Das denkmalgeschützte dreistöckige Bauwerk in der Holbeinstraße 9 steht inzwischen leer. Das Gebäude gehört der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Bayern Süd, die im Vorjahr mit allen Mitarbeitenden nach Neuperlach umgezogen ist. Um Philipp Auerbach zu gedenken, haben die Deutsche Rentenversicherung, das Netzwerk „Zeugnis Zeugen” (eine private Initiative, die sich mit Erinnerungsarbeit und der Geschichte der Shoah auseinandersetzt) und der Verein NordOstKultur das Foyer des Hauses für einen Festakt neu belebt. Im Beisein von Gästen wie Charlotte Knobloch, der Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und dem Antisemitismus-Beauftragten der Bayerischen Staatsregierung, Ludwig Spaenle, erinnerten sie an das Leben und Wirken von Philipp Auerbach.

Als Auerbach 1946 seine Arbeit als Staatskommissar aufnahm, tat er dies in der Holbeinstraße 9. Das 1905 erbaute, frühere Stammhaus der Landesversicherungsanstalt von Oberbayern war von der US-Militärregierung in Teilen dem Bayerischen Justiz- und Innenministerium überlassen worden. Auerbach und seine Mitarbeiter kümmerten sich von hier aus um Juden, die den Holocaust überlebt hatten, aber nun ohne Perspektive und Bleibe in Bayern verweilten. Binnen fünf Jahren soll Auerbach - selbst jüdischer Herkunft und während der NS-Diktatur in den KZs Auschwitz und Buchenwald inhaftiert - rund 100.000 sogenannten „Displaced Persons” zur Ausreise in den 1948 gegründeten Staat Israel verholfen haben. Aber: Der oft kompromisslose Einsatz des gebürtigen Hamburgers sollte für ihn selbst gravierende Folgen haben.

Antisemitismus war nicht verschwunden

„Er war ein kantiger Mensch, der sich mit allen angelegt hat”, betonte Ludwig Spaenle: „Dabei hat er Mut und Zivilcourage bewiesen.” Auerbach bediente sich teils unorthodoxer Methoden, verlangte etwa Provisionen für erteilte Auftragsarbeiten, um Geld für seine Behörde zu sammeln und damit die NS-Opfer zu unterstützen. Bald wurde ihm seine Herkunft zum Verhängnis - denn trotz der viel beschworenen „Stunde Null” war der Antisemitismus nach dem Krieg nicht plötzlich aus den Köpfen vieler Deutschen verschwunden. Der bayerische Justizminister Josef Müller konstruierte mit Hilfe der Staatsanwaltschaft wegen diverser angeblicher Verfehlungen wie Amtsunterschlagung, Erpressung oder Untreue einen Strafprozess gegen Auerbach, ließ ihn 1951 festnehmen und setzte ihn ab.

Beim Prozess im August 1952 wurde Auerbach dann - trotz entlastender Zeugenaussagen - wegen Bestechung und lückenhafter Buchführung zu einer Gefängnisstrafe von zweieinhalb Jahren verurteilt. Der Richter war ein ehemaliger Oberkriegsgerichtsrat, der Staatsanwalt und der psychiatrische Sachverständige frühere NSDAP-Mitglieder. Philipp Auerbach beging noch in der Nacht nach dem Urteil mit einer Überdosis Schlaftabletten Suizid. Er wurde nur 45 Jahre alt und ist auf dem jüdischen Friedhof in München begraben. Ein Untersuchungsausschuss des Bayerischen Landtags rehabilitierte Auerbach 1954.

„Sein Leben war nicht vor allem deshalb bemerkenswert, weil er dem Tod durch Kälte, Krankheit und SS entkommen war”, berichtete Autor Hans-Hermann Klare, der eine Biografie von Philipp Auerbach verfasst hat: „Es war außergewöhnlich, weil er im Bewusstsein dieses Leidens hier in München etwas Großes begann: Er baute eine Behörde auf, die etwa hunderttausend Seinesgleichen eine Zukunft gab, zunächst durch Kleiderspenden und Unterkunft oder medizinische Behandlung, schließlich durch Hilfe zur Auswanderung und Wiedergutmachung.“

Bogenhausen als jüdisches Zentrum

Der Gründer von „Zeugnis Zeugen“, Armin Zemann-Caspary, und seine Mitstreiterin Ruth Back, wurden bei einer Lesung auf Klares Buch aufmerksam - und setzten sich in der Folge für ein sichtbares Gedenken an Auerbach in München ein. Unterstützt wurde „Zeugnis Zeugen“ dabei vom in Bogenhauser Geschichte bewanderten Verein NordOstKultur unter Vorsitz von Roland Krack und dem Bezirksausschuss Bogenhausen (BA 13). Alt-Bogenhausen war nach 1945 zu einer der „Hauptstädte des Judentums” geworden, wie Ludwig Spaenle erläuterte. Sichtbar war dies durch die Einrichtung eines israelisches Konsulats in der Maria-Theresia-Straße, aber auch durch die Möhlstraße mit ihrem regen jüdischen Kulturleben und einem bedeutenden Schwarzmarkt.

„Beitrag gegen das Vergessen”

Die alternierende Vorsitzende des Vorstands der DRV Bayern Süd, Verena Di Pasquale, betonte, dass sich der Rentenversicherer gerade selbst mit seiner Rolle während der NS-Diktatur auseinandergesetzt habe, als sie durch „Zeugnis Zeugen“ von Auerbachs Schicksal erfuhr: „Uns ist es sehr wichtig, einen Beitrag gegen das Vergessen zu leisten. Wir wollen erinnern – an geschehenes Unrecht genauso wie an mutige, aufrichtige Charaktere wie Auerbach.“ So prangt nun eine Tafel mit einem Bild von Philipp Auerbach und einem kurzen Abriss seiner Lebensgeschichte neben dem Haupteingang des Gebäudes.

Enthüllen durften die Tafel Jonathan Coenen und Rhiannon Moutafis vom Erinnerungsort Badehaus in Waldram, einem Stadtteil von Wolfratshausen. Dort befand sich zu Kriegszeiten das Lager Föhrenwald, das nach dem Krieg zum Auffanglager für Displaced Persons wurde. Zahlreichen davon haben Auerbach und seine Mitarbeiter zu einem besseren Leben verholfen. Mit dem sichtbaren Gedenkort für den Staatskommissar hat „Zeugnis Zeugen“ nun sein erstes Ziel erreicht, ein weiteres gibt es aber noch: Die Initiatoren fordern, eine Straße in München nach Philipp Auerbach zu benennen.

north