Bewacht von drei Personen wurde Ende März ein seltenes Schriftstück im verschlossenen Metallkoffer von der Bayerischen Staatsbibliothek zum Deutschen Jagd- und Fischereimuseum in der Fußgängerzone gebracht. Dort klappte eine Mitarbeiterin das einzigartige Buch mit weißen Handschuhen auf und legte die mittelalterliche Handschrift vorsichtig in eine Vitrine in der Fischereiausstellung des Museums. Warum die Ausstellung dieses historischen Buches im Rahmen der Sonderausstellung „500 Jahre Bayerische Fliegenmuster” soviel Aufmerksamkeit erhielt, wird deutlich, wenn man seine Bedeutung kennt.
Es handelt sich um eine mittelalterliche Handschrift, die heute als „Tegernseer Angel- und Fischbüchlein” bekannt ist und kurz vor 1500 im Benediktinerkloster Tegernsee entstanden ist. Die 50 Beschreibungen zum Binden regionaler Angelfliegen, die vor über 500 Jahren in damaliger Schrift zu Papier gebracht wurden, sind heute ein besonderer Schatz für historisch interessierte Fliegenfischer. Die Fliegen ahmen mit Federn, Tierhaaren und Bindegarn Insekten nach. Man verwendet sie, um Fische wie Bachforellen oder Äschen zu fangen. Man wusste also schon vor über 500 Jahren in Bayern, wie das Fischen mit der Federangel funktioniert und konnte sich so im Bach oder im Fluss einen Fisch für das Abendessen fangen...
Wer der Verfasser dieser einzigartigen Handschrift oder der Ideengeber dieser Kunstfliegen war, darüber kann bis heute nur spekuliert werden. Vermutlich schrieb das Fischbüchlein Frater Placidus im Küchenamt des Klosters Tegernsee. Einige Jahrhunderte verbrachte die Handschrift in der Benediktiner-Abtei; heute bewahrt die Bayerische Staatsbibliothek in ihren Sammlungen mittelalterlicher Handschriften das Tegernseer Angel- und Fischbüchlein auf. Interessant an dieser alten Schrift ist besonders, dass der Teil des Buches, der sich auf den Blättern 97 (Vorderseite) bis 109 (Rückseite) mit dem Angeln und den Angelfliegen befasst, bereits kurz vor 1500 geschrieben wurde und wahrscheinlich nach 1534 mit einer anderen Handschrift, dem Wirtschaftsbüchlein, zu einem Buch zusammengebunden wurde.
Das Tegernseer Angel- und Fischbüchlein war im Deutschen Jagd- und Fischereimuseum übrigens zum ersten Mal öffentlich zu sehen. Initiiert hatten die Präsentation des Tegernseer Manuskripts die Buchautoren und Fliegenfischer Peter Schmidt und Gerd-Peter Wieditz. Nach langen Gesprächen und Verhandlungen erhielten sie die Zustimmung, das Büchlein für einen Tag in einer Vitrine der Öffentlichkeit sichtbar zu machen. „Dieses seltene Schriftstück den Museumsbesuchern präsentieren zu dürfen, war ein lange gehegter Traum von mir. Mehrere hundert Besuchter kamen am 31. März in die Räume des Jagd- und Fischereimuseums, um sich die seltene Handschrift anzuschauen und von mir mehr darüber erfahren wollten. Sogar aus Bremen kam ein Fliegenfischer nach München, um sich die Bindeanleitungen im Manuskript anzusehen”, sagte Kurator Peter Schmidt nach der Ausstellung des Buches den Münchner Wochenanzeigern.
Wer sich das Tegernseer Angel- und Fischbüchlein auf dem Laptop oder Smartphone anschauen möchte, kann dies in den Digitalen Sammlungen der Bayerischen Staatsbibliothek online unter der Adresse https://mdz-nbn-resolving.de/details:bsb00076122 tun.