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Veröffentlicht am 20.08.2025 10:01

Wissensvermittlung beim Igelseminar

Jacek Nitsch, der Leiter der Wildtierstation, mit einem der vielen geretteten Igel. (Foto: Tierschutzverein München e.V.)
Jacek Nitsch, der Leiter der Wildtierstation, mit einem der vielen geretteten Igel. (Foto: Tierschutzverein München e.V.)
Jacek Nitsch, der Leiter der Wildtierstation, mit einem der vielen geretteten Igel. (Foto: Tierschutzverein München e.V.)
Jacek Nitsch, der Leiter der Wildtierstation, mit einem der vielen geretteten Igel. (Foto: Tierschutzverein München e.V.)
Jacek Nitsch, der Leiter der Wildtierstation, mit einem der vielen geretteten Igel. (Foto: Tierschutzverein München e.V.)

Auch von Temperaturen um die 30 Grad ließen sich die rund 30 Teilnehmer des ausgebuchten Igel-Seminars vom Tierschutzverein München e.V. nicht abhalten, am 28. Juni ins Tierheim zu kommen. Und ihr Einsatz hat sich mehr als gelohnt. Jacek Nitsch, Leiter der Wildtierstation, teilte in rund vier Stunden sein geballtes Igelwissen mit den Anwesenden, das sicher noch für zehn weitere Seminare reichen würde. Das nächste Seminar findet am Samstag, 13. September, statt.
Denn so simpel wie gedacht ist die Lage bei einem vermeintlichen Allerweltstier wie dem Igel nicht. Seit 2024 ist der Braunbrustigel laut der internationalen Roten Liste als potenziell gefährdet eingestuft. Bodenversiegelung, Insektensterben, Gefahren im Straßenverkehr und durch Gartengeräte wie Mähroboter sowie Infektionen machen ihm das Leben schwer. Doch obwohl der Igel zu den bekanntesten Wildtieren Deutschlands zählt, gehört er gleichzeitig zu den am wenigsten erforschten. Es ist weder bekannt, wie viele Igel hierzulande leben noch gibt es belastbare Langzeitdaten. Nur drei Unis forschen derzeit in diesem Bereich. Ohne gesicherte Daten gibt es auch keine Schutzmaßnahmen. Und so landen in unserer Wildtierstation jedes Jahr mehr Tiere, die Hilfe brauchen. Zwischen 2017 und 2024 hat sich etwa die Zahl der hilfsbedürftigen Igel um 195 Prozent erhöht. Wie kann man ihnen konkret helfen? Das erklärte Jacek in seinem Programm „Igel gefunden - was nun?“ sehr kenntnisreich und detailliert. Nach einem kurzen Überblick über die Aufgaben der Wildtierstation und einer Charakterisierung des Igels (nachtaktiv, Winterschläfer, Insektenfresser) ging es an praktische Tipps.

Wie erkennt man, ob ein Igel hilfsbedürftig ist? Anzeichen einer Erkrankung sind etwa Tagaktivität, ein schwankender Gang, Apathie, „seltsames“ Verhalten und Verzicht aufs Einrollen, sowie zu hohe oder zu niedrige Körpertemperatur. Igel können zudem von verschiedensten Parasiten wie Zecken, Flöhen, Würmern oder Milben befallen werden, die sie schwächen und bei starkem Befall auch töten können.
Bei Jungtieren ist neben dem Gewicht auch auf die richtige Körperform (rundlich) und das allgemeine Erscheinungsbild zu achten.
Viele der eingelieferten Tiere haben schwere Verletzungen durch Bisse, Schnitte oder Verkehrsunfälle und sind nicht mehr zu retten.

Bevor man als Laie erste Hilfe leistet, gilt: Handschuhe an, um keine Keime und Krankheiten zu übertragen. Fühlt sich der Igel kalt an, muss er als erstes aufgewärmt werden, z.B. mithilfe einer Wärmflasche, über die ein Handtuch gebreitet wird. Die einzige Ausnahme hier ist ein Befall mit Fliegeneiern. Die müssen zuerst mit einer Pinzette entfernt werden, da Wärme ihren Schlupf begünstigt. Dokumentation, Unterbringung und Versorgung stehen dann als nächstes auf der To-do-Liste.

Besonders die Fütterung sorgte im Seminar für Diskussionen. Die Wildtierabteilung des Tierschutzvereins München ist vor einigen Monaten von Katzen- auf Insektenfutter von Entava umgestiegen, da es jetzt in größeren Mengen im Internet erhältlich ist und dem Futter ähnlicher, das sich Igel in der Natur selbst suchen. Wer weiter Katzenfutter verwendet, muss auf einen hohen Fleischanteil von mindestens 60 Prozent achten. Generell gilt: nur kranke oder schwache Tiere werden gefüttert.

Auch wenn es schwer fällt auf liebgewordene Gewohnheiten zu verzichten: Bitte nicht einfach ganzjährige Futterstellen im Garten einrichten, das schadet mehr als es nutzt. Artgerechtes Igelfutter für den Dauereinsatz existiert nicht! Gesunde Igel sind Wildtiere, die sich selbst versorgen können. Frisches Wasser kann man dagegen immer bereitstellen. Igel sind Einzelgänger mit eigenen Revieren. Die wahllose Fütterung provoziert Ansammlungen von mehreren Tieren, die sich mit Krankheiten infizieren können. In neuen Studien hat sich zudem herausgestellt, dass die Igel bei Zufütterung große Mengen in sich hineinschlingen, bis zu 15-mal mehr als es bei eigener Futtersuche möglich wäre. Das vergrößert den Magen und kann zu ernsten Problemen führen.

Man sieht, es ist kompliziert. Auch bei der Auswilderung, dem obersten Ziel jeder Igelpflege, gibt es einiges zu beachten. Erwachsene Tiere, die nur kurz bei uns waren, können nach Einbruch der Dämmerung an der Fundstelle freigelassen werden. Für alle anderen empfiehlt sich die Auswilderung mittels Gehege.
Am meisten hilft der heimischen Igelpopulation ein naturnaher Garten mit Totholzhaufen, Blühflächen, Benjeshecke und vielen einheimischen Pflanzen. Je weniger der Garten gepflegt wird, umso mehr freut sich der kleine Stachler.

Igelseminar

Datum & Uhrzeit: Samstag, 13. September von 9 bis 13 Uhr
Ort: Tierheim München im „Katzensaal” (Brukenthalstr.6)
ÖPNV: Bus 194 (ab Riem BHF) oder Bus 183 (ab Arabellapark)
Parkplätze findet man auf den Freiflächen gegenüber vom Tierheim
Dauer: ca. 4 Stunden
Teilnehmerzahl: max. 30 Personen
Verpflegung: Wasser & Softgetränke
Preis: 15 Euro (für Mitglieder des Tierschutzvereins 5 Euro)
100 Prozent der Einnahmen gehen an den Tierschutzverein München e.V.

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